Internet - Privat war gestern

    • Offizieller Beitrag

    Von Thomas Fischermann

    Sicherheitsexperte Sean Hastings rät, nur noch wirklich Wichtiges geheim zu halten

    DIE ZEIT: Ziemlich radikal, Ihre Datenschutzidee aus dem Jahr 2000: Sie bauten einfach ein paar Computer auf einer Flugabwehrstation vor der englischen Küste auf, wo keine Regierung Zugriff hatte…

    Sean Hastings: Es ging um das Recht, unbehelligt von Regierungen im Internet verbreiten zu können, was man will. Dafür könnte es heute immer noch einen Markt geben.

    Zeit: Heute scheint ein anderes Datenschutzproblem drängender: Regierungen und Unternehmen spionieren mehr denn je im Netz.

    Hastings: Ja, und zwar großteils heimlich und elektronisch, durch Viren, trojanische Pferde, mit Hackermethoden. Dagegen schützt es natürlich nicht, seinen Computer an einem fernen Ort aufzustellen.

    Zeit: Wie schützt man sich vor den Schnüfflern?

    Hastings: Es gab immer wieder Firmen, die hocheffektive Systeme für das unentdeckte Surfen und Kommunizieren im Internet zur Verfügung gestellt haben. Aber selten fanden sich genug Käufer, die das wirtschaftlich gemacht hätten. Diese Dinge werden auf Dauer nur kostenlos, als Standardausstattung in Browsern und E-Mail-Programmen, erfolgreich sein. So wie ja heute schon viele Kryptotechniken allgegenwärtig sind, etwa beim Homebanking.

    Zeit: Weil die Leute sich ihre Privatsphäre nichts kosten lassen wollen?

    Hastings: Es gibt noch einen besseren Grund. Wer ungewöhnlich hohen Aufwand mit verschlüsselter E-Mail und ähnlichen Dingen treibt, macht erst recht auf sich aufmerksam. Wenn Sie ein Verschlüsselungsprogramm für Ihre EMail benutzen, kann man sofort erkennen, dass verschlüsselt wurde. Wer also an Personen interessiert ist, die etwas zu verbergen haben, kann systematisch nach solchen E-Mails suchen.

    Zeit: Das muss sich doch irgendwie lösen lassen.

    Hastings: Sie müssen noch mehr Aufwand treiben. Es gibt eine Technik namens Steganografie, bei der geheime Botschaften in scheinbar alltäglichen Dateien versteckt werden, etwa in Fotos und Videos. Davon werden stündlich Millionen um alle Welt versendet. Das fällt niemandem auf.

    Zeit: Haben Sie Empfehlungen für solche Programme?

    Hastings: Gibt es massenhaft und sogar kostenlos im Internet. Meine Empfehlung ist, nur solche zu benutzen, deren Macher ihren Programmcode öffentlich ins Internet stellen. Dann kann nämlich die ganze Welt kundiger Experten nach Stellen suchen, an denen man die Verschlüsselung knacken kann. Das erhöht die Sicherheit enorm.

    Zeit: Was würden Sie Leuten empfehlen, die wirklich ihre Geheimnisse für sich behalten wollen?

    Hastings: Erstens Steganografie. Zweitens viel Sorgfalt, damit auf ihrem Computer keine Spuren der unverschlüsselten Nachrichten zu finden sind. Zumindest sollten sie alles auf ihren Festplatten verschlüsseln. Ungleich sicherer ist es aber, wenn der Computer gar keine Festplatte hat, sondern wenn sie ihn jedes Mal von einer DVD-ROM hochfahren, auf der sich ihr Verschlüsselungsprogramm befindet.

    Zeit: Das andere Datenschutzproblem im Internet entsteht durch Surfen, Herunterladen von Musikdateien – auch da wird man heute auf Schritt und Tritt beobachtet.

    Hastings: Benutzen Sie doch die Internetverbindung von jemand anderem! Dann war der schuld.

    Zeit: Jetzt mal im Ernst.

    Hastings: Ich meine das ernst! Fast überall in der zivilisierten Welt gibt es heute Gratishotspots für das Internet oder unverschlüsselte Verbindungen, die ein Nachbar offen gelassen hat. Niemand kann wissen, dass Sie es waren, der da online gegangen ist. Zwar sendet jeder Computer eine sogenannte MAC-Adresse an das drahtlose Netzwerk, sodass er im Prinzip identifiziert werden kann, aber die lässt sich fälschen: Sie installieren ein Programm, und dann geht das mühelos.

    Zeit: Eine Lösung fürs Surfen von daheim ist das nicht.

    Hastings: Wenn Sie schon einen drahtlosen Anschluss zu Hause haben, dann lassen Sie ihn offen, ohne Verschlüsselung oder Zugangssperren! Nach dem Motto: Wie, jemand hat die Computer des Innenministers von meiner Internetadresse aus gehackt? Die haben sich bestimmt in mein drahtloses Netzwerk geschlichen. So was. Seit Wochen schon habe ich mir vorgenommen, da mal ein ordentliches Passwort einzubauen, aber man kommt ja zu nichts…

    Zeit: Wenn man dann daran denkt, dass viele Leute auf Seiten wie MySpace freiwillig alles über sich ins Internet stellen – Anschrift, Konsumgewohnheiten, private Fotos…

    Hastings: Sicher, und Betrüger nutzen das aus. Doch hier bin ich mir nicht sicher, ob das so negativ ist. Lassen Sie die Leute doch voneinander wissen, was sie wollen.

    Zeit: Die Halbnacktfotos vom jugendlichen Saufgelage? Der künftige Chef könnte von der prüden Sorte sein…

    Hastings: (lacht) Daher sollten wir dafür eintreten, dass jedermann solche Bilder von sich ins Internet stellt. Dann kann sich niemand mehr leisten, so prüde zu sein.

    Zeit: Das kann nicht wahr sein! Da interviewt man einen Experten zur Datensicherheit und Geheimhaltung, und er sagt: Stellt alles über euch ins Internet?

    Hastings: Okay, jetzt mal ernsthaft: Es gibt sowieso keine Privatsphäre mehr. Davon sollte erst mal jeder ausgehen. Nicht nur Sie selber, auch alle möglichen anderen Leute stellen alles Mögliche über sich ins Netz. Ihr Aufenthaltsort wird laufend überwacht. Kameras werden immer kleiner.

    Zeit: Wenn das so ist, könnte man sich Ihre Tipps zum geheimen Surfen und Nachrichtenschicken also sparen?

    Hastings: Nein, aber man sollte sich klar machen: Es erfordert besondere Anstrengungen, ein Geheimnis zu bewahren, übrigens nicht nur elektronischer Art. Ansonsten müssen Sie davon ausgehen, dass alles öffentlich ist, was Sie tun.

    Zeit: Für welche Art von Geheimnissen treiben Sie eigentlich selber solchen Aufwand?

    Hastings: Ich habe keinen Grund, diese Frage zu beantworten.


    Der amerikanische Computer- und Sicherheitsexperte Sean Hastings befand im Jahr 2000, dass es in ganz Amerika keinen sicheren Platz für seine Rechner gebe. Also nahm er sie nach Sealand mit, in eine unwirtliche ehemalige Luftabwehrstation im Ärmelkanal, die in den 1960er Jahren von einem exzentrischen Briten besetzt und zum unabhängigen Fürstentum erklärt worden war. Von Sealand aus verkaufte Hastings Serverplätze an eine geheimniskrämerische Klientel, die den staatlichen Zugriff fürchtete. Heute lebt er wieder in den USA und berät Organisationen und Firmen. Vor kurzem ist sein Buch mit dem Titel "God Wants You Dead" erschienen.

    Linksammlung

    http://www.sealandgov.org
    Informationen über das seltsame Prinzentum Sealand

    http://www.privacyrights.orgwww.privatsphaere.org
    Debattenorte für das Thema Privatsphäre im Internet

    [Quelle: Zeit online ]

    Ein klasse Beitrag! :43:


    Gruß
    data :97:

  • Stimmt, Data...
    Der Mann hat völlig Recht...
    1984 ist schon lange Realität, nicht ganz so drastisch wie im Buch, aber Realität